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  • AutorenbildUta Lewien-Schmidt

Vom "Lächeln schenken" und "Berührt sein"...

Eine kleine persönliche Nachlese zum Weltknuddeltag 2023



Gestern gab es ihn wieder, den Weltknuddeltag, im Jahr 1 nach der Pandemie. Während sonst immer irgendwo auf dem Handy eine Bildnachricht mit meist knuddelnden Teddybären auftauchte, blieb es eher ruhig im Posteingang. Und irgendwie hatte ich auch das Gefühl, es war gut so wie es ist. Die Bilder von jungen strahlend lächelnden Menschen, die sich im Sonnenschein glücklich in den Armen lagen, ähnlich irgendeinem Werbeslogan, passte nicht zu meiner Stimmung. Da muss doch eigentlich noch mehr sein, oder? Also machte ich mich auf den Weg der Recherche. Wo hat der Tag eigentlich seinen Ursprung?


Der Weltknuddeltag wurde durch den US-amerikanischen Pfarrer Kevin Zaborney 1986 ins Leben gerufen und erstmals in der Stadt Caro, Michigan, begangen. Als Datum wählte Zaborney den zeitlichen Mittelpunkt zwischen Weihnachten als dem Fest der Liebe und dem Valentinstag als dem Tag der Liebenden noch innerhalb der Winterzeit, da in dieser Zeit die trübe Stimmung sehr stark die Gefühlswelt beeinflusse”, kann man unter Wikipedia finden.

Sicher, von der Idee her gut, aber trifft es das eigentlich? Knuddele oder besser, werde ich nun tatsächlich mehr oder weniger geknuddelt wegen dieses Tages? Nein sicher nicht. Ich bin ja schon groß, habe schon in den Kindertagen erfahren, dass man manchen Dingen auch selbst auf die Spur gehen muss. Ich bin in der Lage, meine Gefühle in Worte zu fassen, kann aussprechen, wenn ich dringend eine Umarmung brauche und dann in meiner Familie auch bekomme. Während der Pandemie machte ich die Erfahrung, dass Umarmungen an ihrer Oberflächlichkeit verlieren. Am Anfang wussten unsere Hände mit unseren Gesten gar nicht so richtig wo hin, denn im letzten Moment fiel uns dann ein, dass man ja nicht durfte...Abstand halten musste und rückte sich manchmal auch verlegen den Mundschutz wieder zurecht. Im letzten Moment noch eingefallen...Es war die Rücksicht, die mich zu Ordnung rief und die drückte auch Liebe und Verantwortung aus. Aber wie ist das mit den Menschen, die unserer Nähe bedürfen und manchmal nicht mehr dieses Verlangen danach in eigene Worte fassen können. Da hatte ich ganz andere Bilder im Kopf.


In meinem Alltag treffe ich vermehrt auf Menschen, die nicht mehr so am Leben teilnehmen können. So gibt es Begegnungen beim Einkaufen, beim Arzt...einfach wenn ich so unterwegs bin. Es sind Menschen die ein Handicap haben, die auf unsere Unterstützung zählen. Aber auch bekommen? Und niemand von uns kann dabei erahnen, wann wir selber auf Hilfe mal angewiesen sind. Da ich als Coach und Trainerin im Schwerpunkt mit Menschen ab und jenseits der Lebensmitte arbeite, vergeht kein Tag, an dem es nicht eine solche Begegnung gibt. Wir hören Nachrichten aus dem Pflegeheim, dem Seniorenstift, wir begegnen unseren älteren Nachbarn auf der Straße und können sehen, dass natürlich eine längere Lebenserwartung auch ein höheres Risiko birgt, dass wir nicht alle "jung geblieben und dynamisch" bis ins hohe Alter bleiben könnten. Es ist und bleibt ein Wunsch, aber es gibt keine Garantie dafür. Wenn auch mit dem richtigen Bewusstsein und der medizinischen Vorsorge, einiges möglich ist.


Ich finde, wir alle können etwas dafür tun, dass wir mit mehr Zuversicht in unsere älter werdende Generation der Babyboomer blicken können. Wir Menschen an der Spitze der Evolutionskette, sind schon als winziger Embryo von 2 cm Länge, mit einem hervorragenden Tastsinn ausgestattet. "Frühchen" werden in den Geburtsstationen mit viel Fachwissen mit Berührungen umsorgt, wohl dosiert, um Überreizungen zu vermeiden. Wir wissen auch, dass Demenzkranke mit Apathie, keine Gespräche mehr mit uns führen können, kein Lachen uns schenken und auch über Blickkontakt, kaum mehr zu erreichen sind. Aber sie empfinden.


Die Hirnforschung hat uns in den letzten Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse geliefert. Sie erklärt dazu, dass Berührungen die Ausschüttung von zwei Hormonen bewirkt. Oxytocin, u.a. verantwortlich für die Bindung zwischen Mutter und Kind und Dopamin, was uns eine Steigerung des Wohlbefindens beschert. Das Zusammenspiel der Hormone kann helfen Stress und Ängste abzubauen, weil das Stresshormon Cortisol als Wirkung abgebaut wird. Muskeln entspannen und unsere Pulsfrequenz und der Blutdruck sinken, Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung können gefördert werden. Und unser Immunsystem erfährt ebenfalls eine Stärkung. Gerade deshalb sind Berührungen in der Pflege von so großer Bedeutung.


Das macht mir Mut auf das Älterwerden. Noch sind wir in der Lage, etwas zu tun, Menschen nicht alleine zu lassen, die Flucht aus den Pflegeberufen aufzuhalten und selbst jeden Tag unser Bewusstsein zu schärfen, dass sich dringend etwas ändern muss. Natürlich ist genau nicht gemeint, wahllos auf die Straße zu gehen und Menschen zu umarmen. Wir sind alle unterschiedlich und haben individuelle Gefühle zur Nähe. Wir sollten nicht schweigen, sondern mehr darüber reden und handeln.


Seit einigen Monaten begegnet mir und meiner Havaneserhündin Fiby auf dem Morgenspaziergang eine kleine ältere Dame. Ich kenne sie nicht, aber sie ist immer aufmerksam mir und meinem Hund gegenüber. Und sie hat immer ein freundliches "Guten Morgen" verbunden mit einem strahlenden Lächeln für uns. Dieses Lächeln ist unbeschreiblich schön. Ich dachte nur immer, dass hier die Begrifflichkeit "jemanden ein Lächeln schenken" wirklich zutrifft. Ich fühlte mich immer wieder beschenkt und ich konnte die Oxytocinwellen in meinem Körper förmlich spüren. Und ich habe es ihr gesagt: "Wir beide kennen uns nur aus flüchtigen Begegnungen, aber ich vermisse Sie, wenn ich Sie mal einige Wochen nicht gesehen habe. Aber ich freue mich, Sie heute zu sehen und das es Ihnen gut geht...und bedanke mich für das strahlende Lächeln, was Sie mir heute geschenkt haben!" Und ich bekam die Gelegenheit, einige Sätze mit der alten Dame zu wechseln...

Dieses kleine Gespräch war mir ein Bedürfnis. Das berührt mich, finde ich...und ihr?



Bildquellen: Adobe Stock #505155698, #72840615, #505155628, #51767600












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